Genfer Audio-Konventionen
NEXUS unterstützt die Automation im sendenahen TV-Workflow
Zu Anfang war es nur ein Gedanke: eine rein File-basierte Produktion und Sendung mit durchgehendem Handling der beschreibenden Daten von der Aufnahme bis zum Archiv, kombiniert mit einer Datenbank-gesteuerten Konfektionierung aller senderelevanten Signale. Der Umstieg auf HD-Technik und die damit verbundene technische Neugestaltung gab schließlich den Ausschlag, dieses im TV einzigartige Konzept in die Tat umzusetzen – mit NEXUS als Garant für sendefähigen Ton
Nahezu in jeder Ausgabe der STAGES präsentiert mindestens ein Beitrag eine technologisch herausragende Installation in der Schweiz. Es scheint, als ob die äußeren Bedingungen in diesem vergleichsweise kleinen Land eine besonders innovative Herangehensweise an die professionelle Audio- und Videotechnik mit sich bringen. Vielleicht sind es die hohen Berge, die Richtfunk erschweren und daher zu einer sehr frühen Einführung von Glasfasernetzen führten, vielleicht sind es auch die vier Landessprachen, für insgesamt knapp acht Millionen Einwohner, die die Produktion und Sendung des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens zu einer komplexen Angelegenheit werden lassen. Auch dieser Beitrag rückt wieder eine Schweizer Installation in den Blickpunkt: die neue Zentral- und Sendeablauf-Technik des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens RTS (Radio Télévision Suisse) für den französischsprachigen Teil der Schweiz mit Sitz in Genf.
Das Projekt
RTS befindet sich gerade mitten in einem Modernisierungsprozess, bei dem die gesamte TV-Sende- und Produktionstechnik für das HD-Zeitalter fit gemacht wird. Bevor sämtliche Produktionsstätten, vom News- über das Sportstudio bis hin zu den großen Produktionsstudios inklusive der dazugehörigen HD-Regie einer Erneuerung unterzogen werden, fand bereits die Implementierung der zentralen Technik in einem Neubau statt. Sie ist bereits teilweise auf Sendung, die Produktionsstätten werden peu à peu in den nächsten Jahren folgen.
Yannick Dumartineix hat bei der RTS das Konzept der digitalen Audiotechnik im neuen Produktions- und Sendekomplex in Genf entwickelt. Zu seinen Erfahrungen mit STAGETEC-Equipment stellt er fest: »Wir setzen auf STAGETEC-Technologie und NEXUS, weil dieses Equipment sehr betriebssicher ist. Das ist uns für unsere Sendeabwicklung enorm wichtig! Ein weiteres Kriterium war natürlich die außerordentliche Audioqualität dieser Systeme.«
File statt Datenträger
Hand in Hand mit dem Umstieg auf High Definition im Bild geht bei diesem Projekt die konsequente Umsetzung auf digitale, File-basierte Produktion. Als einen Teil des Projekts führt die SRG SSR (die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft, der RTS angehört) auch ein verbindliches Sendetonformat ein. Dieser SRG-weite Standard beschreibt sehr genau, welche Töne zu einem sendefähigen Video gehören und wo sie in welchem Format gesendet werden. Die Festlegung besagt, dass zu jedem Video einerseits ein sendefähiger Ton in Stereo und 5.1 zur Verfügung stehen muss und andererseits auch ein IT-Ton, ebenfalls in Stereo und 5.1, abgelegt wird. Während der eigentliche Sendeton bei RTS in der Regel französisch ist, wird der IT-Ton für alle anderssprachigen Produktionen herangezogen. Zusammen ergeben sich nativ damit 16 Audiospuren, die grundsätzlich immer belegt sein müssen.
Selbst wenn kein individueller IT-Ton vorhanden ist, muss die entsprechende Spur belegt werden. Das kann auch mit einem Duplikat der französischen Fassung sein, damit keiner der anderssprachigen TV-Kanäle stumm sendet. In diesem Format, mit zwei diskreten Stereosignalen und zwei Dolby-E®-codierten 5.1-Signalen, wird das Audio zu dem dazugehörigen Video in einen SDI-Strom eingebettet und zur Aussendung zum Mutterhaus nach Zürich weitergeleitet.
Eng verzahnt
Der Ausgang des Sendestudios ist streng standardisiert, nicht so aber dessen Eingänge. Im Gegenteil: Eingangsseitig sind nahezu alle Audioformatkombinationen denkbar, da der Sender von eigenen Beiträgen über externe Produktionen bis hin zu eingekauften Spielfilmen ein äußerst vielseitiges Programm sendet. In der Regel ist daher eine Audiokonvertierung auf das standardisierte Ausgangsformat notwendig. RTS setzt dafür ein einzelnes NEXUS-Basisgerät ein, das, mit einer cleveren Logikschaltung versehen, diese Aufgabe nahezu automatisch erledigt. Gesteuert wird dieses unabhängig betriebene NEXUS-Basisgerät, das intern den Namen Audio-Shuffler trägt, von dem Playout-Automationssystem des Senders, einem Produkt des französischen Herstellers SGT.
Der interne Ablauf basiert auf einem hochgradig abgestimmten Zusammenspiel mehrerer Programme: Das zu sendende Material wird in der ebenfalls neu gebauten Qualitätskontrolle gesichtet. Dabei prüft ein Mitarbeiter unter anderem, welche Audio-Spurbelegung auf dem Quellband vorliegt sowie welche Mischungen, stereo oder 5.1 oder beides, vorhanden sind. Zusätzlich wird gemessen, mit welchem Loudnesspegel gemäß der EBU-Recommendation 128 die Mischungen gefahren wurden. Derzeit strebt RTS einen Loudnesspegel von minus 23 LUFS, gemessen in der neuen Loudness-Messeinheit, an. Abweichungen davon werden als positive oder negative Werte im hausinternen Media-Asset-Managementsystem abgelegt, in dem auch sämtliche anderen technischen Informationen über das Material erfasst werden. Anschließend wird das geprüfte Videoband ohne Veränderungen am Ton digitalisiert und als Datei in einem zentralen Sendespeicher abgelegt.
Automatisch zum Standard
Sobald eine Aufnahme konkret für eine Sendung eingeplant wird, überträgt das Media-Asset-Management-System die zur Aufnahme gehörenden beschreibenden Daten, unter anderem die Informationen über den Status quo der Tonspuren, an das Playout-Automationssystem. Zur Sendung liegen also dort einerseits alle vorproduzierten Materialien als Datei im direkten Zugriff, andererseits deren technische Informationen vor. Wird ein Beitrag in der Senderegie abgefahren, dann generiert das Playout-Automationssystem aus diesen Status-Informationen eine klare Anweisung für den NEXUS-Audio-Shuffler. Die Anweisung erfolgt in Form gesetzter NEXUS-Koppelpunkte, und zwar dergestalt, dass im NEXUS automatisch die benötigten Summierungen, Up- oder Downmixes, Verzögerungen, Dolby-E®-Decodierungen und Pegelabsenkungen vorgenommen werden können. NEXUS nimmt die notwendigen Bearbeitungen intern auf seinen DSP- und Dolby-E®-Karten vor und kann dabei über ein maßgeschneidertes Bedienfeld notfalls auch manuell beeinflusst werden. Um darüber hinaus auch eine Blende von einem Videosignal zum nächsten zu ermöglichen, ist der Audio-Shuffler mit zwei parallelen, identischen Bearbeitungsstufen ausgestattet. Als Sicherung im Fall einer Havarie – schließlich wird das System live unmittelbar in den Sendeweg eingeschliffen – läuft ein zweiter Audio-Shuffler stets in einem Havarie-Sendeweg parallel mit.
Die Idee zum Audio-Shuffler ist sicherlich einzigartig. Seine detailreiche Umsetzung verdankt er einem ganzen Team, in dem neben RTS als Auftraggeber, STAGETEC als Lieferant des eigentlichen Audio-Shuffler-NEXUS und SGT als Hersteller des Playout-Automationssystems vor allem auch die BFE Studio und Medien Systeme GmbH als Generalunternehmer und Feinplaner richtungsweisend war. Übrigens: Inzwischen ist derselbe Ansatz bereits ein zweites Mal, beim Broadcaster der italienischsprachigen Schweiz RSI in Lugano, erfolgreich umgesetzt worden.
Von der Produktion bis zum Archiv
Bei den inzwischen immer häufiger bandlos produzierten Eigenbeiträgen wird von vorneherein gemäß dem standardisierten Audioformat gearbeitet. Eine nachträgliche Anpassung an den Standard ist dort nicht in diesem Maße notwendig.
Ältere, eigenproduzierte Beiträge, die noch auf Band im Archiv vorliegen, müssen ebenso wie das extern produzierte, eingekaufte Material die gesamte Qualitätskontrolle, Digitalisierung und Formatanpassung durchlaufen. Interessant ist hierbei, dass der digitalisierte Beitrag anschließend unverändert archiviert wird. Wer weiß schon, ob sich der Umgang mit Loudnesspegelung nicht eines Tages im Zuge des technischen Fortschritts ändert? Das Archivmaterial wird daher nach streng archivarischer Grundregel nicht im Pegel bearbeitet, sondern über die erfassten, beschreibenden Daten bei jeder Sendung an die derzeit geltenden Standards angepasst.
Ein großer Verbund
Der Audio-Shuffler ist nur ein winziger Baustein im großen Gesamtsystem der RTS. Ein NEXUS-Basisgerät mit sechs Höheneinheiten plus identischem Backup-System reichen für seine komplexen Automatismen aus. Daneben nimmt sich der Umfang der sonstigen STAGETEC-Technik hier in Genf mit drei CRESCENDOs, mehreren AURUS’ in der großen Regie und den HD-Übertragungswagen, vor allem aber mit einem nahezu 5.000 auf 5.000 Koppelpunkte umfassenden NEXUS-Audionetz im neuen Hauptschaltraum und der Regievernetzung wesentlich größer aus. Was jedoch den Grad der Automation, der Integration und Betriebsvereinfachung angeht, ist der NEXUS-Audio-Shuffler trotz seiner geringen Größe herausragend. RTS hat außerdem damit begonnen, die Funktionsvielfalt des Audio-Shufflers noch zu erweitern. Der Sender implementiert ein stringentes Handling der für den Endverbraucher erzeugten und gesendeten Dolby®-Metadaten, die in NEXUS gemäß festgelegter Profile in den SDI-Datenstrom eingebettet werden. So machen Zukunftsvisionen Spaß!
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