NEXUS beim Vatikan
Nicht alles, was von oben kommt, ist auch gut. Nicht gut sind etwa die Feldstärken vom Sendemast, der über dem Vatikan das Programm seines Radiosenders ausstrahlt. Diese Feldstärken sprechen in jede analoge Kupferleitung hinein, oder genauer gesagt, sie taten es. Heute wird diese Störung unterbunden mit einem NEXUS im Vatikan.
Himmlische Werte
Bis vor kurzem glich der Schaltraum des Vatikan-Radios einem Museum. An der Wand hing noch das Originalfoto vom Eröffnungstag anno 1931, schon ganz gelblich geworden in all den Jahren. Ein Blick in den inzwischen museumsreifen Schaltraum selbst bewies sogleich, dass sich seine Technik seitdem nicht geändert hatte; sie war identisch mit der Technik auf eben jenem Eröffnungsfoto! Ein weiterer Zeitzeuge von damals, das Originalmikrofon, mit dem Papst Pio XI die erste Rede am Tag der Eröffnung des Vatikan-Radios hielt, steht heute tatsächlich als Ausstellungsstück im Vatikan. Warum hatte das Vatikanradio so lange jeder Erneuerung der zentralen Technik standgehalten?
Kleiner Stadtstaat
Die Frage verlangt nach einer komplexen Antwort, weil das Vatikan-Radio mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen hat. Die Produktionsräume des Radios liegen, unter anderem aufgrund von Platzmangel, außerhalb des Vatikans – in Rom im Palazzo Pio. Hier steht ein modernes computervernetztes Audiosystem für Aufnahme, Schnitt und Sendung bereit. Der Sendemast und auch der Schaltraum des Senders ist aber im Vatikangelände beherbergt, im Palazzina Pio etwa 3 km innerhalb der Stadtmauern. Beide, Sendemast und Schaltraum, liegen in Sichtweite zueinander, denn Platz ist ein kostbares Gut in der Vatikanstadt.
Bisher mussten die fertig bearbeiteten Sendungen vom Palazzo auf Band gemastert, in den Schaltraum im Palazzina gebracht und von dort auf Sendung geschickt werden. Eine Verkabelung der beiden Gebäude via Standleitung war aufgrund der starken Störungen durch den Sendemast nicht möglich – die Feldstärken waren zu groß für eine herkömmliche, analoge Kupferverbindung.
Glauben oder wissen?
Erschwert wurde die Situation noch durch die Tatsache, dass die Antenne je nach Sendegebiet gedreht werden muss. Zirka gegen Mittag zeigt sie genau auf den Schaltraum, über den sämtliche Audiosignale laufen. Mit einer Strahlungsleistung von 1 MW ergeben sich im Schaltraum messbare Feldstärken von 80 Volt/Meter.
Aus der Theorie abgeleitet wusste das Stage-Tec-Team schon lange, dass derartige Verhältnisse für NEXUS keine Hürde darstellen. Im Vatikan gab sich die Gelegenheit, diesen Glauben in Wissen zu verwandeln. Mit Hilfe von ausgiebigen Tests, zu denen der Vatikan sich über ganze vier Monate ein NEXUS auslieh, bewies man die Störfestigkeit der Anlage. Es konnten keinerlei Störgeräusche oder Überlagerungen gemessen werden, sondern nur die exzellenten Audiowerte der NEXUS-Eingangsstufen! Der Grund hierfür ist zum einen in der hohen Unsymmetriedämpfung der analogen Ein- und Ausgänge zu sehen, und zum anderen in der Glasfaserübertragung, die prinzipiell nicht elektromagnetisch gestört werden kann.
Vernetzt und integriert
Heute verbindet ein Glasfaserkabel die beiden Gebäude. Hüben wie drüben sind je zwei NEXUS-Basiseinheiten installiert, die über das Stage-Tec-eigene FOC-Format vernetzt sind. Die fertigen Beiträge werden heute also nicht mehr physikalisch – und zeitaufwendig – ins Vatikangelände getragen, sondern via Glasfaser weitergeleitet. Um die Distanz von mehreren Kilometern überbrücken zu können, setzt der Vatikan-Singlemode-Kabel ein.
Neben der Verbindung beider Standorte übernimmt NEXUS noch andere Aufgaben: Es verteilt die verschiedenen Signale und wandelt ihre Formate zum einen innerhalb des Produktionsgebäudes und zum anderen im Schaltraum. Gegenüber der alten Installation hat sich mit NEXUS der Verkabelungsaufwand um etwa 80% verringert. Zusätzliches Bonbon: NEXUS lässt sich vom Sendesystem des Vatikan sekundengenau mitsteuern. Darüber hinaus sind die NEXUS-Steuer-PCs mit in das Produktionsnetzwerk integriert. Die Multiuser-Software samt grafischer Bedienoberfläche läuft auf diese Weise auf den selben Rechnern wie die Aufnahme- und Schnittsysteme des Senders. Und zu guter Letzt übernehmen die XDSP-Karten im NEXUS auch noch die Dynamikbearbeitung der Sendesignale und sparen damit die vorher benötigten 32 Sendebegrenzer ein.
… in Ewigkeit?
Es war gewiss keine leichte Entscheidung für die Planer beim Vatikan-Radio, nach solch langer Zeit mit gleicher, erprobter Technik eine derartig umfassende Veränderung umzusetzen. Die Entscheidung wurde entsprechend lange vorbereitet und auf breiter Ebene getragen. Sowohl Florenzo Petitta als technischer Manager der Produktion, Piero Iorio als technischer Manager des Schaltzentrums, als auch Maurizio Venuto als technischer Direktor des Vatikan-Radios haben gemeinsam für das neue NEXUS votiert. Das heißt aber nicht, dass das System jetzt wiederum eine kleine Ewigkeit ohne Veränderung bestehen wird. Ganz im Gegenteil: Die Vorteile der neuen Anlage haben sie dann auch so überzeugt, dass die ersten Erweiterungen – zusätzliche Basiseinheiten im Netzwerk – schon fest eingeplant sind.
Radio Vatikan heute
»Das wesentliche Ziel ist es, (…) das Zentrum der katholischen Welt mit den Ländern der Erde zu verbinden, …« so liest man in dem mehrsprachigen Informationsblatt zum Radio Vatikan. Diesem Ziel war man bei der Eröffnung des Radios am 12. Februar 1931 noch recht fern, denn damals wurde ausschließlich in lateinisch gesendet. Heutzutage überträgt Radio Vatikan in 53 verschiedenen Sprachen und in 32 Zielgebiete. Das große Programmangebot wird von 60 Technikern in 14 Regieräumen zusammen mit unzähligen Redakteuren und Journalisten in den verschiedenen Sprachen produziert. Es ist auf Kurzwelle, Mittelwelle und UKW sowie per Satellit zu empfangen – und verbindet damit wirklich weltweit.